Dietzenbach
Simone van gen Hassend

Dietzenbach - die zentrale Lösung


BECKEFELD / LANGBEIN / OHLIGER

1. ANALYSE

Dietzenbach setzt sich aus einer Reihe unabhängig voneinander existierenden Stadtteilen zusammen, von denen keiner allein in der Lage ist einen identifikatorischen, das heißt gesamtstädtischen Kern zu bilden. Die sich dafür anbietenden Stadtteile, einerseits der historische Kern, andererseits die neu entstandene Großsiedlung, sind dazu ausunterschiedlichen Gründen nicht in der Lage: Das alte Kerndorf ist sowohl räumlich wie von seiner Bevölkerungszahl schlicht zu klein, zudem ergibt sich aus seiner Funktion als Stadtteilmitte keine unmittelbare Notwendigkeit nach einer Neuorientierung. Die Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre, in deren Umgebung die Neue Stadtmitte bisher vorgesehen ist, sind aufgrund ihrer sozialen Struktur ebenfalls nicht in der Lage, zentrale Funktionen zu übernehmen. Die Bevölkerung, oft sozial schwach und sich aus unterschiedlichsten Nationalitäten und Kulturen zusammensetzend, ist zumeist mit ihrer individuellen Integration schon überfordert und nicht in der Lage, dazu noch eine übergeordnete sozial-integrative Funktion zu übernehmen. Die sozialen Probleme der Bewohner werden immer stärker individualisiert und führen zu einer Ghettoisierung einzelner Stadtbereiche und in der Folge zu einer Stigmatisierung der gesamten Stadt, der so weitere Möglichkeiten genommen werden, die fortschreitende Abwärtsentwicklung zu stoppen,da die Stadt für Investitionen unattraktiver wird.

2. ZIEL

Der Planungsansatz zielt auf die Bildung einer Mitte im Sinne eines emotionalen Zentrums ab, welches die unterschiedlichen Stadtteile miteinander verknüpft, da für einen räumlich-funktionalen Kern öffentlicher und gewerblicher Funktionen weder finanzielle Mittel zur Verfügung stehen noch eine unmittelbare Notwendigkeit zu erkennnen ist.

3. KONZEPT

Aufgrund der Stadtstruktur Dietzenbachs, der Aneinanderreihung von Stadtteilen mit unterschiedlichstem Charakter, wird ein die einzelnen Stadtteile durchquerender Verbindungsweg aus Kunstrasen vorgeschlagen, der mittels der Aufstellung überdimensionaler Plüschwesen, sogenannten Schlampis, entlang des linearen Entwicklungsbandes emotional aufgeladen wird.Die angestrebte starke emotionale Wirkung verbunden mit größtmöglicher inhaltlich-assoziativer und funktionaler Unbestimmtheit wird in dem Projekt: "Die Rückkehr der Schlampis" der Künstlerin Simone van gen Hassend bestmöglich verwirklicht gesehen. Die zu erwartende kritische Haltung der Bevölkerung gegenüber der Verwendung von Kunstrasen als Belag für öffentliche Wege und insbesondere der Aufstellung von Schlampis an zentralen Stellen im Ortsbild wird dabei in das Konzept mit einbezogen: es entsteht ein öffentlicher Diskurs, der von vornherein die Möglichkeit einer Konsensbildung in sich birgt - selbst wenn dieser Konsens zunächst nur ineinvernehmlicher Mißbilligung der Maßnahmen besteht. Es wird jedoch damit gerechnet, daß diese Ablehnung mit der Zeit in Zustimmung umschlägt, da die Schlampis aufgrund ihrer spezifischen Eigenart keine tragfähige Basis für eine dauerhafte ablehnende Haltung bieten und man sie bei genauerer Betrachtung einfach gern haben muß. Als Rahmen dieses absehbaren Diskurses wird der Kunstrasenweg fungieren, entlang dem die Schlampis plaziert sind und der die Funktion eines öffentlichen Platzes der Meinungsbildung einnehmen wird - und darüber hinaus das Rückgrat der zukünftigen Entwicklung Dietzenbachs bilden wird: Die wichtigsten existierenden städtischen Einrichtungen tangierend, wird das ca. 50 cm schmale Kunstrasenband als Ort für zukünftige öffentliche und private sowie institutionelle und informelle Nutzungen dienen. In Dietzenbach wird so eine die unterschiedlichen Stadtteileübergreifende Stadtstruktur entstehen. Entlang des Bandes werden sich weiterhin die Eigenarten der einzelnen Stadtteile zeigen, gleichzeitig jedoch innerhalbeines übergeordneten, gemeinsamen Rahmens befinden. Aufgrund seiner starken öffentlichen Funktion sowie seines räumlichen Potentials wird sich das Band in einem ständigen Wandel befinden und sich den wechselnden, verändernden Anforderungen einer modernen Stadt anpassen und irgendwann in einer gewachsenen, hochkomplexen Stadtstruktur untergehen.

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